Beth war eine Gute. Demnach wusste ich, dass sie meine Verspätung nicht krumm nahm. Zudem wusste jeder, der in dieser Stadt lebte, was es bedeuten konnte mit dem Auto in die Innenstadt zu düsen. Da ich mich ungern auf öffentliche Verkehrsmittel verließ, nahm ich das jedoch in Kauf. Mal mehr und mal weniger entspannt, das kam ganz auf meine Tagesverfassung an.
"Sehr gut, dann bin ich beruhigt. Ich kann dich aber auf dem Rückweg auch rauswerfen, du musst ihn nicht extra anrufen." Dabei sah ich meiner Freundin durchdringlich in die Augen. Eine ganze Weile, sprachen wir schon über die eigenartigen Zwischenfälle zwischen ihr und ihrem Mann. Es war nicht zu übersehen, wie unwohl sie sich manches Mal in seiner Gegenwart fühlte.
"Das ist eigenartig..", stimmte ich mit gedämpftem Ton zu und biss mir nachdenklich auf die Unterlippe. "Und ziemlich creepy. Ich meine, was soll dieses Getue? Es ist doch kein Wunder, dass du dich nicht sicher fühlst. Seinem Verhalten nach zu urteilen, könnte man glauben er vergräbt eine Leiche im Keller."
Erst als ich es ausgesprochen hatte, merkte ich wie krass es klang. - Wer wusste, in was er da tatsächlich verwickelt war. Wir lebten in einer kranken Welt. "Entschuldige, das sollte nicht so schräg klingen."
Mir selbst über den Mund fahrend, winkte ich ab und erstickte meine Plapperei, indem ich einen Schluck Wasser trank.
"Mir gehts gut, ich bin nur irgendwie..ich weiß nicht..dauerhaft angespannt. Ich muss mal wieder lernen mich zu entspannen außerhalb der Arbeit. Meine Gedanken kreisen permanent um den Sender." Eine routierende Bewegung neben der Schläfe gemacht, stellte ich das Glas vor mir ab.
"Du musst erst gesund werden - ", erinnerte ich sie, auch wenn es Beth sicherlich bewusst war. Sie neigte auch zu einem Workaholic. "Aber ich kann es dir nicht verübeln, mir würde es sicher genauso gehen. Auch wenn du froh sein kannst, wenn du Jessica nicht siehst. Andererseits..", ich pausierte und verzog das Gesicht. "Sie ist wirklich ein Miststück."
Ein kurzes Lachen platzte aus mir heraus. Natürlich stand ich nach den Erzählungen über diese Person auf Beth' - Seite.
"Ich weiß nicht, was ich dir erzählen soll. Mein Leben besteht im Moment nur aus Arbeiten und meinen Abenden im Pub bei Jacks." Sie wusste, wie gut ich mit dem besten Freund und Geschäftspartner meines Patenonkels Oscar auskam. Wenn das auch wirklich nur auf freundschaftlicher Basis bestand. Er war wie ein großer Bruder, den ich nie hatte.
"Er ist glaube ich froh, dass ich so oft vorbeischaue - oder viel mehr bei ihm trinke, damit er mich im Auge hat. Die Kerle heutzutage sind so unfassbar notgeil", keine besonders angenehme Tatasache. "Ist es nicht ätzend, dass man sich kaum noch normal kennenlernen kann? Es besteht immer diese sexuelle Spannung, weil die Menschen an ihren ewigen Sexfantasien fast verblöden. Als wollte man sie Programmieren, um vom Weltgeschehen abgelenkt zu werden."
Die Politik machte mich unsagbar wütend. Es passierten soviele Dinge, auf die wir keinen Einfluss hatten..
"Aber genug davon. Weißt du was?" Entschlossen grinste ich. "Wir sollten - sobald du wieder gesund ist - für eine Woche wegfahren. Urlaub. Was sagst du?"